Der Flow Zustand im Tennis

Das erste mal erlebte ich selber den Flow Zustand, ohne zu wissen was es ist, bei Rewe Cup in Siegen, U12 Finale. Nebenan spielten die Damen U21 um die Platzierung 7-8 auf einem wunderbaren Niveau und als 11 Jährige dadurch angespornt, spielte ich so gut wie nie zuvor. Alles klappte wie gewünscht, es war völlig still. Alles was ich hörte war der Ball, der meinen Schläger traf und meine Stimme im Kopf die "immer weiter, gut so, weiter" sagte. 

 

Als ich dies schließlich meinem Trainer erzählte, erklärte er mir, das dies der sog. Flow Zustand ist. Doch was genau ist es?

 

#1 - Was ist "Flow" eigentlich?

Einfach übersetzt heißt es Fließen. Nach der Theorie von Mihály Cskikszentmihályi [1934 in Italien geboren, Name aus Ungarn, Urvater der Flow-Theorie] wird die ganze Aufmerksamkeit auf eine Aufgabe gerichtet, in der Du aufgehst und alles um dich herum vergisst. Es gibt weder Angst noch Zweifel. Dieses Erlebnis geht theoretisch mit jeder Tätigkeit, wie Lesen, Malen, Kochen, Schreiben eines Blogs, Büroarbeiten. 

Nach der Flow-Theorie bedarf es dabei einfach:

  • Konzentration, Nebensächliches komplett ausblenden
  • Verfolgung eines klaren Ziels aus innerer Motivation (intrinsisch)
  • direktes Feedback auf Deine Handlung
  • Du gehst bei Deiner Aktivität völlig auf und behältst die Kontrolle
  • kein Zeitgefühl

Nach Mihály ist das der Zustand zwischen Über- und Unterforderung und auch der Bereich, indem wir unsere beste Leistung abliefern.

 

#2 - Flow im Tennis durch Aufmerksamkeitssteuerung

 Wusstest Du, dass nur etwa 33% eines Tennismatches aus dem Spiel bestehen und die restliche Zeit aus den Pausen? Erhältst Du nun den Flow in diesen Pausen aufrecht, kannst Du Deine beste Leistung hervorrufen. Dies gelingt mittels Aufmerksamkeitssteuerung:

 

Nach Robert Nidderfer [amerikanischer Psychologe] unterteilt sich unsere Aufmerksamkeit in 4 Bereiche:

External Weit

Das ist, wenn Du z.B. den Ball zurück spielen möchtest und erstmal schaust, wo den der Gegner steht, um in die andere Ecke zu spielen. Du verschaffst Dir einen Überblick. Dies bedeutet external weit.

 

External Eng

Das ist, wenn Du im oben genannten Beispiel nun den auf Dich zukommenden Tennisball fokussierst, bevor Du ihn zurückspielst. External Eng ist also die Aufmerksamkeit für eine spezifische Situation.

 

Internal Weit

Was sich eben auf äußere Reize bezog ist bei internal weiter Aufmerksamkeit nun auf Dich bezogen. Wie fühlst Du Dich? Bist Du glücklich und zufrieden, total fit oder ängstlich und traurig, schlecht ausgeschlafen? Es ist äußerst wichtig zu wissen, wie man sich fühlt. Nur so kannst Du Negativem entgegenwirken.

 

Internal Eng

Diese Aufmerksamkeitsform nehmen wir für Dein Mental-Training. Höre in Dich hinein und fokussiere Dich auf einen inneren Punkt. Hast Du Schmerzen in der Schulter? Kreisen Deine Gedanken nur um ein bestimmtes Thema, dass Dich ablenkt? Das ist internal eng.

 

Um nun auf dem Platz entsprechend zu agieren musst Du in der Lage sein, Deine Aufmerksamkeit zu steuern, zu jedem Zeitpunkt. Sprich, wann hast Du Dich auf was zu konzentrieren?

 

Z.B.: Ablauf Turnier Spiel 1:

Du kommst auf die Anlage und verschaffst Dir erstmal einen Überblick, wo was ist, wo die Plätze sind, wer ist OSR etc. -> External Weit

 

15 Minuten vor dem Matchbeginn machst Du Dich warm, und mental bereits auf "Jetzt geht es los" -> internal eng

 

Du gehst auf den Platz, suchst Dir Deine Bank aus, schaust ob ein SR oder Ballkids dabei sind, wo diese stehend -> external weit

 

begrüßt Deinen Gegner, wie ist er drauf? -> external eng

 

Das Einspielen, Fokus auf Stärken und Schwächen des Gegners -> external eng

 

Kurz vor dem Matchstart, Du bist bei Deiner Bank, wie ist Befindlichkeit -> internal eng

 

Vor Deinem Aufschlag, Blick zum Gegner, Wo steht er? -> External eng

 

Aufschlag und Ball tippen lassen, Fokus auf Atmung und gedankliche Schlagvorbereitung -> internal eng

 

und so wandert Deine Aufmerksamkeit immer hin und her, je nachdem, wie gerade die Situation ist. Bist Du in der Lage, störende Faktoren, wie Zuschauer, die Deinen Namen rufen, auszublenden und Dich auf Deinen Aufschlag zu konzentrieren? Nur so, kannst Du Dein Optimum an Leistung herausholen.

 

 

#3 - Übungen

Wie kann das nun trainiert werden? Nun das hängt ganz von Dir ab. Jeder Mensch hat andere Fähigkeiten, die er mitbringt. Manch einer hat sofort die Gesamtsituation erfasst, während ein andere immer weiß, wie er sich gerade fühlt. 

 

Z.B.

Matchtraining mit Musik, die Du magst.  -> Konzentration Allgemein

 

Geh in einen Raum für 5 Minuten, wieder heraus und beschreibe, was Du alles wahrgenommen hast. Lass Dir dafür genug Zeit, um Dir auch alles zu notieren. Gleiches geht mit zum Tennisplatz kommen: Was nimmst Du war. -> External-Weit

 

Notiere Dir während des Training, wie Du Dich zwischendurch fühlst. -> Internal-Weit

 

Notiere Dir im Matchtraining, was Du von Deinem Gegner wahrnimmst. -> External-Eng

 

Atemzählübungen -> Internal-Eng

 


Buch Empfehlungen zum Flow

Flow erleben im Tennis 

von Vladijslav Ilijn

Mentale Stärke im Tennis

von Philipp Heger



Und nun genug der Theorie. Auf Geht´s on Court und Vamos!

 

Ich wünsche Dir viel Erfolg beim nächsten Match.

 

Grüße aus Deinem TennisOffice

Anna

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Kommentare: 1
  • #1

    Vladislav Ilijin (Montag, 09 Januar 2023 07:34)

    Hallo Anna,

    Gratulation! Schön geschrieben.

    Viele Glüße

    Vladislav